Wer kennt schon den Begriff des „Berliner Testaments“ und kann dessen Bedeutung richtig einschätzen?

Und woraus sollen sich hieraus seit 2015 Risiken für Betroffene ergeben haben?

Kurz zu der Begrifflichkeit:

Beim sog. Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben ein. Oft ist zusätzlich geregelt, dass der Längerlebende dann das gesamte vorhandene Vermögen den eigenen Kindern überträgt.

 

Viele Ehepaare haben ein solches Testament schon vor Jahren gemeinschaftlich verfasst und sind dann ins Ausland verzogen oder halten sich dort schon für längere Zeit zu Pflegezwecken auf, ohne sich der dann wachsenden Brisanz dieses Schriftstücks bewusst zu sein.

Warum hat der Umzug ins Ausland oder ein längerer noch andauernder Aufenthalt im Ausland hier Risiken für die Eheleute gebracht?

Seit August 2015 haben sich zentrale Vorschriften im Erbrecht durch die neue Erbrechtsverordnung der EU nahezu unbemerkt geändert. Danach ist für die rechtliche Beurteilung des letzten Willens eines Erblassers dessen letzter Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort maßgebend.

Damit wird die Wirksamkeit eines Berliner Testaments, mit dem sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, in vielen Fällen gefährdet. In Spanien, Italien oder Frankreich wird ein so vereinbarter gemeinsamer Letzter Wille nicht anerkannt.

Ein deutsches Ehepaar, das in Deutschland ein Berliner Testament aufgesetzt hatte und dann nach Andalusien gezogen ist, kann sich also seit dem 17. August 2015 nicht mehr darauf verlassen, dass sein letzter Wille auch tatsächlich beachtet wird.

Anstelle des Testaments gelten dann die spanischen Erbrechtsregeln.

Ob diese dann den gewünschten Schutzeffekt für den überlebenden Ehegatten haben, ist mehr als fraglich.

Gleiches gilt für Regelungen über eine sog. Vor- und Nacherbschaft, bei der festgelegt wird, wer nacheinander in welchem Umfang über mehrere Generationen hinweg erben soll. Das in Spanien geltende Wohnsitzrecht würde ein solches Testament zunichte machen, weil eine Vor- und Nacherbschaft dort nicht existiert.

 

Rechtsanwalt Dr. Joerg Andres, Dozent und Fachbuchautor für Erbrecht, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht in Düsseldorf, kommentiert die aktuelle Entwicklung:

Betroffene Ehepaare sollten sich beraten lassen, bevor es für eine wirksame gemeinschaftliche Regelung zu spät ist.

Denn wer möchte sich schon darauf verlassen müssen, dass eine günstige deutsche Regelung im Ausland gilt, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass das nicht so ist?

Wie der gewöhnliche Aufenthaltsort zu bestimmen ist, wird in der neuen EU-Erbrechtsverordnung nicht genau festgelegt. Es kommt also auf die Auslegung der jeweiligen Regelung an.

Daher gilt auch insoweit:

Rechtzeitige Beratung hilft, mögliche Nachteile zu erkennen und zu vermeiden.

Bloßes Abwarten hingegen schafft unnötige Risiken und Unsicherheiten.

Und die sind nach dem ersten Erbfall dann nicht mehr zu korrigieren.