Bislang war die Frage umstritten, ob und inwiefern Internetplattformen, die mit Kryptowährungen (Bitcoin & Co.) handeln, zuvor eine Bankerlaubnis von der BaFin benötigen. Einer Entscheidung des OLG Berlin (Kammergericht) zufolge ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich.

Was bedeutet das für die Besteuerung von Kryptowährungen?

Aktuell wird – teilweise eher reflexartig – davon ausgegangen, dass eine Besteuerung von Kryptowährungen in Deutschland nicht nur erforderlich, sondern auf der bestehenden rechtlichen Grundlage auch zwangsläufig zulässig sei.

Spätestens seit der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 25.09.2018 in Sachen der (fehlenden) Erlaubnispflicht beim Betreiben von Internetplattformen zum Zwecke des Handels mit Kryptowährungen dürfen hier insoweit ernsthafte Zweifel angemeldet werden.

Woraus ergeben sich hier nun Parallelen zwischen Aufsichtsrecht und Steuerrecht?

Da die BaFin ihre Eingriffsrechte wie jede andere Behörde auch nach dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG auf eine einschlägige Ermächtigungsgrundlage zurückführen muß, um sich rechtmäßig zu verhalten, bedarf auch die Finanzverwaltung für eine ordnungsgemäße Besteuerung jeweils einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.

Die Berliner Justiz hatte in dem jetzt obergerichtlich entschiedenen Fall zunächst erstinstanzlich (= Amtsgericht Tiergarten) den Betreiber einer Internet-Handels-Plattform, die die Vermittlung des An- und Verkaufs von Bitcoin seit 2013 betrieb, zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der An- und Verkauf war – vereinfacht dargestellt – wie folgt organisiert: Zunächst mussten sich Käufer und Verkäufer auf der Onlinebörse registrieren. Die Käufer mussten sodann einen geeigneten Geldbetrag (z.B. in Euro) auf ihren eigenen Account einzahlen. Nach erfolgter Einzahlung von sog. FIAT Währung konnten sie dann die gewünschte Menge an Bitcoin erwerben. Andererseits war es den Verkäufern möglich, ihre bereits erworbenen Bitcoin jeweils auf deren eigenem Account der Internetseite einzustellen. Der eigentliche Zahlungsvorgang wurde dann mit Hilfe eines Kontos der C-Bank und zusätzlich über ein Konto in Polen abgewickelt.

Eine Erlaubnis für das Betreiben dieser Onlineplattform hatte der junge Betreiber (damals 16 Jahre alt) bei der BaFin zuvor nicht eingeholt.

Auf Betreiben der Behörde war der Betreiber wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz (§ 54 KWG) später in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die damals sowohl vom Verurteilten, als auch von der Staatsanwaltschaft – mit entgegengesetzter Zielrichtung – jeweils angegriffen worden war, so dass in der Folge das Landgericht Berlin entscheiden musste. Dort obsiegte allein der Betreiber. Daraufhin strengte die Staatsanwaltschaft die Revision zum Kammergericht an.

Dieses entschied dann erneut zugunsten des Betreibers.

Damit nicht genug.

Da die BaFin bereits 2011 in einem schlichten Merkblatt Bitcoin als Komplementärwährung i.S. einer Rechnungseinheit einstufte, nahm sie zu diesem Zeitpunkt faktisch eine „Aufwertung“ des Bitcoin zum „Finanzinstrument“ vor.

Eine solche Subsumtion hätte nach Auffassung der Berliner Richter aber nur dann gegriffen, wenn bei Schaffung dieses gesetzlichen Begriffs im Jahre 1997 der Bitcoin bereits existiert hätte.

Daran fehlte es.

Zugleich konstatierte das Gericht, dass die BaFin über keine originäre quasigesetzgeberische Kompetenz verfüge. Die BaFin verkenne also, dass es „nicht Aufgabe der Bundesbehörden ist, rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen.“

Ebenso wenig obliegt es den Finanzämtern, darüber zu bestimmen, ob und inwieweit bei Erlass eines Steuergesetzes noch nicht existente Sachverhalte einem Steuergesetz unterfallen.

Diese sog. Steuerbarkeit kann nach dem Auftrag des Grundgesetzes im engeren Sinne allein vom Gesetzgeber bestimmt werden, nicht aber von der nachfolgenden Verwaltung.

Steuergesetze, die sich aktuell bereits ausdrücklich mit Kryptowährungen beschäftigen, existieren nicht. Auch bundesdeutsche Gerichtsentscheidungen, die sich diesem Thema einmal explizit annehmen würden, liegen noch nicht vor.

Die Entscheidung des EuGH aus Oktober 2015 zur Steuerfreiheit des reinen Bitcoinumtauschs (EuGH-Ur­teil vom 22. Ok­to­ber 2015, C-264/14, He­d­qvist) lässt allenfalls erkennen, dass dieses Gericht von der grundsätzlichen Umsatzsteuerbarkeit und der zusätzlichen Umsatzsteuerbefreiung des Bitcoin ausgeht.

Ob und inwieweit sich eine solche einzelsteuerliche Einschätzung auf andere Kryptowährungen und deren allgemeine Besteuerung (etwa nach den Regelungen des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Erbschaftsteuerrechts) im Lichte der Berliner OLG-Entscheidung aus Oktober 2018 nun noch 1:1 aufrechterhalten lässt, ist derzeit noch völlig offen.

Schließlich wird im Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet. Mit der so oft falsch verstandenen Systematik eines grundsätzlichen Steuerbefreiungserfordernisses vertragen sich die Grundrechte nicht.

Vielmehr ist der Gesetzgeber gehalten, „Inhalt und Schranken“ des Eigentums und des Erbrechts i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG im Vorhinein verläßlich zu definieren, bevor er zur Besteuerung einzelner neu entstandener Sachverhalte schreitet.

Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Joerg Andres kommentiert die aktuelle Rechtsentwicklung im Bereich der Kryptowährungen und deren Besteuerung:

„Solange nicht klar definiert ist, welche mannigfachen Erscheinungsformen von Kryptowährungen juristisch wie einzuordnen sind, bestehen zumindest erhebliche Zweifel, ob auf einer derart wackligen rechtlichen Grundlage eine Besteuerung von Erträgen aus den diversen Kryptowährungen überhaupt zulässig ist.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin bietet jedenfalls greifbaren Anlass dazu, die aktuell von vielen als selbstverständlich unterstellte Rechtslage, Kryptowährungen könnten aufgrund der vorhandenen Steuergesetze ohne Weiteres besteuert werden, gründlich zu überdenken.

Jedenfalls solange noch kein einziges Gericht in Deutschland die (vermeintlich ausreichende) gesetzliche Grundlage zur Besteuerung der Erträge aus Kryptowährungen insoweit bestätigt hat, sind Zweifel spätestens jetzt angebracht, wenn auf dieser Grundlage Steuerpflichtige auch wegen angeblicher Steuerhinterziehung verfolgt werden sollen. Dies in einer Phase, in der sich in den Finanzämtern nur ganz vereinzelt Ansprechpartner vorfinden, die mit dem Begriff der Kryptowährungen überhaupt etwas anzufangen wissen, zugleich aber über teilweise einschneidende Rechtsfolgen entscheiden sollen.“

Weitere Informationen zur Besteuerung von Kryptowährungen finden Sie auch in dem 2018 erschienenen Buch von Prof. Dr. Joerg Andres und Michael Huss mit dem Titel: „STEUERTSUNAMI BITCOIN“, in dem auf alle einschlägigen Steuerarten im Zusammenhang mit Kryptowährungen in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland eingegangen wird.