Der Vorsitzende Richter des 14. Senats des Finanzgerichts Köln, Dr. Johannes Urban, hat ein Urteil zur Besteuerung mehrerer sog. Kryptowährungen, bei dessen Zustandekommen er selbst den Vorsitz innehatte und die mündliche Verhandlung dominiert hat, in einem Aufsatz in der Zeitschrift NWB vom 11.03.2022 zustimmend kommentiert und in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Seine zentrale Urheberschaft hinsichtlich des Urteils lässt er bei seiner entgeltlichen literarischen Nebentätigkeit jedoch versehentlich unerwähnt.

Das Urteil des Finanzgerichts Köln zur Besteuerung sog. Kryptowährungen vom 25.11.2021 (14 K 1178/20) bezieht zu einer Reihe bislang von Finanzgerichten im Detail so noch nicht besprochenen Punkten vermeintlich abschließend Stellung.

Dabei werden vom Autor ganze Passagen der Entscheidung, die ersichtlich von dem Bemühen geprägt ist, sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit sog. Kryptowährungen einer umfassenden Besteuerung zu unterwerfen, ohne Kenntlichmachung in den Text des vom Verlag finanzierten Aufsatzes übernommen. Demnach stammen diese offenbar aus der Feder des Autors. Zugleich wird jeglicher Zweifel an der Geeignetheit einer lückenhaften Gesetzesstruktur der bislang analog ausgerichteten deutschen Steuergesetze zur Besteuerung rein virtueller Vorgänge systematisch zu zerstreuen versucht.

Daher vermeidet es der Autor auch immer wieder, konkret Stellung zu grundlegenden Kritikpunkten in der jüngeren Literatur zu nehmen. Zumindest versucht er, diese von einer Seite zu betrachten, die die gewünschten Schlussfolgerungen noch erlaubt.

Exemplarisch sei genannt, dass in der Entscheidung des FG Köln nicht konkret mitgeteilt wird, welchen Teil des jeweiligen DLT-Systems das Gericht meint besteuern zu können und weshalb ein ordnungsgemäßer Vollzug von vornherein unterstellt wird (vgl. hierzu ausführlich Schroen, BB 2021, 2133 ff., 2199 ff., 2264 ff.; Andres, DStR 2021, 1630 ff.; Andres/Stoffels, DStR 2022, 137 ff.).

Auch verweist der Richter in seinem Aufsatz auf den weit zu fassenden Wirtschaftsgutsbegriff und angeblich vom Kläger nicht ausreichend beachtete „Folgerechtsprechung der Entscheidungen des Großen Senats“. Diese betrifft jedoch ausnahmslos Fälle, in denen es gerade nicht um Sachverhalte mit sog. Kryptowährungen oder auch nur um blockchainaffine Themen ging. Anders die am 17.03.2022 veröffentlichte Entscheidung des BFH (V R 38/19 zur Vermietung von virtuellem Land, Vorinstanz: FG Köln), die zwar den Bereich der Umsatzsteuer betrifft, aber bereits grundlegend erkennt, dass rein virtuell ablaufende Vorgänge – auch wenn sie terminologisch mit solchen aus der realen Welt verglichen werden („Mietvertrag“) nicht ohne Weiteres mit realen Vorgängen gleichgesetzt werden können.

Die Struktur von DLT-Systemen untersucht Richter Dr. Urban – ebenso wie der von ihm im fraglichen Verfahren dominierte 14. Senat des FG Köln – nur so weit, wie dies zur Stützung seiner Argumentation dienlich erscheint.

So werden etwa unverbriefte Wertpapiere für Vergleichszwecke mit sog. Kryptowährungen zur Argumentation herangezogen, weil deren „Erzeugung, Erfassung und Übertragung heute in erster Linie virtuell bewirkt“ werde. Auf grundlegende Unterschiede – etwa hinsichtlich der Begründung eines konkreten durchsetzbaren Rechts – geht der Autor insoweit nur am Rande ein.

Obwohl das FG Köln durchaus bemerkt hat, dass an „Kryptowerten“ – die in 2017 jedenfalls als solche noch nicht bekannt waren – kein Eigentum begründet werden kann, führt der Vorsitzende Richter in seinem Aufsatz u.a. aus, die (zivilrechtliche) Übertragbarkeit spiegele sich in der Möglichkeit der Vollstreckung eines Anspruchs auf Übertragung von Bitcoin-Einheiten wider. Die dazu zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf gibt diesen Schluss aber gerade nicht zweifelsfrei her.

Sollte es dabei um eine Fortschreibung einer Signaturkette auf der Blockchain gehen – genau teilt das FG Köln und auch der Vorsitzende Richter nicht mit, was eigentlich übertragen werden soll – so fragt sich bereits, wie dieser vermeintliche Anspruch denn konkret – vor allem gegen wen – durchgesetzt werden soll.

Fakt ist: Solange alle an einer solchen „Transaktion“ Mitwirkenden sich so verhalten, wie sich das FG Köln dies im Idealfall vorstellt, könnte es so scheinen, als existiere ein solcher Anspruch tatsächlich.

Dessen Durchsetzbarkeit scheitert jedoch daran, dass ein entsprechendes „Recht“ – vom FG Köln als „Inhaberschaft“ umschrieben – schlicht nicht existiert.

Besonders bedenklich erscheint es, wenn der vermeintlich außenstehende Autor des Aufsatzes die von ihm zusammenfassend kommentierten Entscheidungen des FG Baden-Württemberg und des FG Köln dahingehend interpretiert, dass die Steuerpflichtigen demnach verschiedene dezidiert genannte Steuererklärungspflichten zu erfüllen hätten.

Dazu zählt Richter Dr. Urban, dass „alle Geschäfte einzeln mit den maßgebenden Zeitpunkten, Anschaffungskosten und Veräußerungspreisen (…) erfasst und erklärt“ werden müssten.

Mißlich dabei ist für die Steuerpflichtigen allerdings, dass im Urteil des FG Köln in Rz. 79 wörtlich ausgeführt wird:

„Soweit der Kläger die von ihm selbst erklärten Beträge nunmehr in Zweifel zieht, handelt es sich entgegen dem von ihm verwandten Begriff nicht um ein Bestreiten von Tatsachen im prozessrechtlichen Sinn, sondern lediglich um eine von derjenigen des Beklagten und Senats abweichende rechtliche Würdigung der Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte. Sollte der Kläger gleichwohl beabsichtigt haben, die von ihm selbst vorgetragenen Tatsachen hierzu, die der Beklagte nicht bestritten und an denen der Senat keine Zweifel hat, zu bestreiten, wäre dies als bloßes unqualifiziertes Bestreiten zurückzuweisen. Dem Kläger war bekannt bzw. hätte bekannt sein müssen, zu welchen Preisen er die Kryptowerte angeschafft bzw. veräußert hat. Er muss sich daher an seinen Aufzeichnungen festhalten lassen.“

Mit anderen Worten:

Der Vorsitzende Richter schreibt den Steuerpflichtigen im Rahmen seines Aufsatzes ins Stammbuch, welche Pflichten sie im Zusammenhang mit der Erklärung von Einkünften im Zusammenhang mit sog. Kryptowährungen mindestens zu erfüllen haben.

Tun sie dies kritiklos und gehen gegen den entsprechenden Steuerbescheid vor, wird ihnen später mit Verweis auf das Urteil des FG Köln vorgehalten werden, sie hätten schließlich genau diese Werte selbst angegeben und müssten sich nun daran festhalten lassen.

Anders als beim Erwerb einer sog. Kryptowährung (unterstellt, bei dieser handelte es sich tatsächlich um ein Wirtschaftsgut) mit FIAT-Währung (z.B. Euro) kann beim Tausch von hingegebener Kryptowährung A gegen erhaltene Kryptowährung B der „Preis“ für B allerdings nur in dem Hingegebenen selbst (= der sog. Kryptowährung A) bestehen. Dies ist schon steuersystematisch nicht identisch mit einer bestimmten Euro-Angabe. Hierauf weist der Autor nicht hin. Ebensowenig stellt er klar, dass die von ihm durchgeführten Untersuchungen nicht zwangsläufig für alle – derzeit mehr als 18.000 bekannten – sog. Kryptowährungen gelten müssen.

Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Joerg Andres, Geschäftsführer der DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, kommentiert die durchaus interpretationsbedürftigen Ausführungen des Aufsatzes wie folgt:

„Als Steuerpflichtiger – wie auch als Berater – wünscht man sich eine unvoreingenommene Justiz, um mögliche Fehler, die gerade im Rahmen der steuerlichen Massenveranlagung  auf Ebene der Finanzverwaltung auftreten können, sicher korrigiert zu bekommen.

Eine einseitig geprägte Sichtweise einzelner Richter im Rahmen einer kritikwürdigen Entscheidungsfindung von FG-Urteilen ist ebenfalls hinnehmbar, kann sie doch immerhin noch vom Bundesfinanzhof zurechtgerückt werden.

Im Sinne eines fairen Meinungswettstreits sollte aber bei nachfolgenden Veröffentlichungen mitentscheidender Richter darauf geachtet werden, dass klar zum Ausdruck kommt, wer an welcher Entscheidung in seiner Funktion als Finanzrichter konkret mitgewirkt hat und nachfolgend diese eigene Auffassung nochmals literarisch erläutert und verteidigt.“

Wenn eine an sich genehmigte literarische Nebentätigkeit eines Richters dazu führt, dass aufgrund nicht ausreichend kenntlich gemachter Intransparenz eine eigene Auffassung über das erforderliche Mass hinaus zur allgemeingültigen Ansicht stilisiert wird, werden Grenzen einer angemessenen Inanspruchnahme des guten Rufs richterlicher Unabhängigkeit in durchaus vermeidbarem Umfang tangiert.

Ein offenes Bekenntnis zur Mitwirkung an der betreffenden Entscheidung wäre – schon im eigenen Interesse des Richters – mehr als wünschenswert gewesen, um Zweifel an der Transparenz eines solch beliebigen nebenberuflichen Vorgehens eines von Amts wegen zur Neutralität verpflichteten Richters zu zerstreuen.

Sollten auch Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung sog. Kryptowährungen haben, stehen wir für eine Beratung gerne zur Verfügung.

Sie erreichen die DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, telefonisch unter 0211/388377-0 oder per Mail unter info@andresrecht.de.